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Dr. Sabine Oberhauser, Dr. Karl Nemec, Dkfm. Heinz Öhler, und Univ. Prof Dr. Karl P. Pfeifer

„Ökonomisierung des Gesundheitssystems – !!! Geld oder Leben !!!“

Am 11.06. 2003 im Kulturgasthaus Bierstindl

Die Podiumsmitglieder diskutieren Fragen über den Fortbestand des Gesundheitssystems, das sich zunehmend den Kriterien der Wirtschaftlichkeit zu stellen hat. Mit Ausgaben von 8% des BIP erreicht das österreichische Gesundheitssystem im internationalen Vergleich der Ausgabenhöhe für die Gesundheitssysteme einen ausgezeichneten Wert aus ökonomischer Sicht.

Die politische Diskussion über die schlechte Situation ist aus dieser volkswirtschaftlichen Sicht unverständlich. Die Diskussion über die Finanzierbarkeit ist eine altbekannte, wird jedoch seit der deutlichen Zunahme des Defizites seit 1999 verstärkt in der Öffentlichkeit geführt. Das Defizit entsteht durch Beitragsdefizite und nicht, wie oft kolportiert, durch eine Kostenexplosion. So werden zunehmend finanz-, sozial- und familienpolitische Maßnahmen aus dem Gesundheitssystem finanziert und verringern somit die Einnahmen. Die Befreiung von Rezeptgebühren ist eine nützliche sozialpolitische Maßnahme, belastet aber das Gesundheitssystem und stellt eine reine Budgetkosmetik dar.

Durch die Tatsache, daß 7% der Versicherten 50 % der Versicherungsleistungen konsumieren, wird klar, daß Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem bei den am meisten Bedürftigen erfolgen, bei den Langzeit- und Schwerkranken. Diese leben bereits ohne Sparmaßnahmen an der Armutsgrenze. Selbstbehalte haben negative Auswirkungen für die Betroffenen und keinerlei positive Effekte auf die Finanzierung und wurden in vielen Länder aufgrund nachteiliger Folgen bereits wieder abgeschafft. Die „leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung“ hat die Drehtürmedizin verstärkt. Höherer Verwaltungsaufwand und eine durch Recourcenreduktion verringerte Möglichkeit zur Patientenorientierung sind die Folge. Die Humanität bleibt auf der Strecke.

Vor allem Frauen werden durch die geplanten Reformmaßnahmen stärker betroffen sein. Allgemein sind sozial Schwache (Frauen, Kinder, Arbeitslose, psychische Kranke,...) vermehrt von Krankheit betroffen, sodaß vor allem diese durch Selbstbehalte und die Privatisierung im Gesundheitssystem (GATS) benachteiligt werden. Für eben diese Risikogruppen werden erhöhte Versicherungsprämien die Folge sein. Ein auf dem Solidaritätsprinzip basierendes Gesundheitssystem ist auch in Zukunft unverzichtbar, um sozial Benachteiligten weiterhin den Zugang zu medizinischen Leistungen zu ermöglichen.

Die Hochrechnung der medizinischen Kosten auf bestimmte Bevölkerungsgruppen erinnert an Propaganda der NS-Zeit. Durch Optimierung im Verwaltungsbereich, bei Prozessaubläufen, kann eingespart werden, Abschläge an Qualität und Restriktionen im Zugang sind untaugliche Mittel zur Sanierung. Eine Besteuerung des Kapitals könnte neue Finanzierungsmöglichkeiten für das Gesundheitssystem und den Sozialstaat eröffnen. Die Gesundheit ist zu wertvoll, um sie dem Markt zu überlassen. Trotzdem müssen Visionen und Maßnahmen entwickelt werden, um den demographischen und technischen Entwicklungen gerecht zu werden.

„Was brauchen wir unbedingt , was können wir und was müssen wir uns im Gesundheitssystem leisten und wo beginnt der Luxus?“ sind Fragen, denen sich unsere Gesellschaft und die Verantwortlichen in zunehmendem Maße stellen müssen. Auch ist es ist nicht immer notwendig, den „Delikatessenladen“ der Pharma- und Medizintechnikindustrie voll auszuschöpfen, wenn sich qualitativ gleichwertige Alternativen anbieten. Bei chronisch Kranken können durch qualitativ hochstehendes kontinuierliches Patientenmanagement Kosten eingespart werden. Verbesserte Qualität durch Vernetzung der medizinischen Leistungserbringer und eine objektive Patienteninformation können in Zukunft Kosten sparen und wertvolle Beiträge zur Finanzierung des Gesundheitssystemes leisten.