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Johann Gross und Dr. Werner Vogt

"Psychiatrie am Spiegelgrund"

Am 23.01.2002 im Kulturgasthaus Bierstindl in Innsbruck

Johann Gross’ Lesung aus seinem autobiographischen Buch „Spiegelgrund, Leben in NS-Erziehungsanstalten“ ist ein erschütternder Erlebnisbericht eines Kindes, welches, als „Asozialer“ abgestempelt, in die grausamen Fänge der NS-"Erziehung" und NS-Psychiatrie gerät: „.... und in dem Wagerl – lauter kleine tote Kinder! Wie weggeworfene Puppen lagen sie kreuz und quer, die Glieder oft unnatürlich verrenkt. Die kleinen Körper hatten meist eine ganz eigenartige Farbe. Es war ein Art Rotgrünblau. Die Schwester am Ende unserer Kolonne sagte nur:“ Ruhe da vorne! Oder will vielleicht jemand von euch mitfahren ...“ oder „ ...über die Wanne war ein Leintuch gespannt und der Bub wurde mit Kopf und Füßen in die Wanne geworfen. Dabei schlug das Leintuch natürlich über ihm zusammen, und bis er sich aus dem nassen Tuch befreien konnte mußte er eine Ganze Menge kaltes Wasser geschluckt haben...“ schildert Johann Gross seine Tage voll Erniedrigung und sadistischer Gewalt. Er beschreibt, wie er und andere Opfer vom NS-Psychiater Dr. H. Gross „Schwefelkuren“ und Injektionen, die tagelangen Brechreiz hervorriefen, als Behandlung erhielten.

Dr. Werner Vogt schildert das folgende dunkle Kapitel der (Nicht)Aufarbeitung dieses Teiles Medizingeschichte mit der Fortsetzung des erlittenen Unrechts bis in die Gegenwart herauf. Die Täter bleiben ungeschoren, machen im Nachkriegsösterreich wissenschaftliche Karriere mit Leichenteilen der Opfer. Ein Frevel unter dem Deckmantel der Wissenschaft. Ein Hauptverantwortlicher für die Vorgänge im „Kinder KZ“ Spiegelgrund, der Gerichtspsychiater Dr. Heinrich Gross, wurde von den Gerichten trotz erdrückender Beweise freigesprochen. Die Opfer wurden als „weltweit größte Sammlung an Mißbildungen“ wissenschaftlich verwertet und waren die Basis seiner und vieler seiner Berufskollegen Karriere. Nach jahrzehntelangen Interventionen gelang es erst vor kurzem, die Leichenteile dieser Kinder aus den Klauen der Wissenschaftler zu befreien und sie beizusetzen. In der Diskussion mit dem Publikum wird besonders der Umgang mit den Opfern seitens des offiziellen Österreich thematisiert: "Die Opfer sollen schweigen!". Die Stigmatisierung als "Asozialer" wird fortgesetzt. Gibt es eine Wiederholung der Geschichte? Und verstrickt sich die Medizin von neuem? Johann Gross antwortete, auf das Thema Gentechnologie angesprochen: „ Diese Gentechnik könnte eine braune Idee sein“.